Gehaltsverhandlung. Ein unangenehmes Thema, sowohl für Arbeitnehmer:in als auch für Arbeitgeber:in.“, erzählt unsere HR- Managerin Katha.

Generell ist das Gehalt noch ein großes Tabuthema in vielen Unternehmen. Und das obwohl, vielleicht auch vor allem, weil die Gehaltsentwicklung in Firmen ohne Tarifverträge nicht immer optimal funktioniert. Die wenigsten Angestellten bitten gerne um eine höhere Vergütung, auch wenn sie verdient ist. Und die wenigsten Verantwortlichen entscheiden gerne darüber, ob diese nun wirklich verdient ist oder eben nicht.

„Verdient“ die bloße Dauer der Betriebszugehörigkeit auch automatisch mehr Gehalt? Welche Entwicklung hat welche:r Mitarbeiter:in in den letzten Jahren hingelegt? Wie sehen die persönlichen Umstände der Person aus? Wie zufrieden ist welche:r Mitarbeiter:in mit der aktuellen finanziellen Situation? Wie groß sind die Unterschiede zwischen den Gehältern einzelner Mitarbeiter:innen?

Solche Unklarheiten führen häufig über Unstimmigkeiten, hin zur Unzufriedenheit. In vielen Fällen fragen erst unzufriedene Mitarbeiter:innen nach einer Gehaltserhöhung und fühlen sich vielleicht bereits unfair behandelt. Das ist ein großes Problem und die Verantwortung für dieses liegt häufig bei einer einzelnen Person, welche in den meisten Fällen nicht einmal allumfassend im Bilde über jeden:r Mitarbeiter:in ist. Doch muss das wirklich sein?

Katha ist Mitglied im Team der Gehalts Manager, welches vor ca. einem Jahr aus einer gemeinsam erarbeiteten Gehaltstruktur entstanden ist und erzählt, welche Probleme es zu lösen galt.

„Chris als Geschäftsführer war der alleinige Ansprechpartner, wenn ein:e Mitarbeiter:in Gehaltsfragen hatte. Das ging über viele Jahre so und dieser Prozess blieb lange unverändert, jedoch passt das eigentlich gar nicht zu uns. Wir sind ein agiles Unternehmen und in den letzten Jahren hat sich so viel weiterentwickelt. Also sind wir auch die Gehaltsstruktur angegangen.“

Chris hat Katha irgendwann mit ins Boot geholt, weil eine Veränderung gewünscht war und gemeinsam wurde lange überlegt, wie eine Lösung aussehen kann. Das Problem: Auch für zwei Personen ist es nicht möglich ein Resultat zu schaffen, mit dem alle glücklich sind. Also bezogen sie mehr Kolleg:innen ein und bildeten eine Arbeitsgruppe, die klein- und vielschrittig an einer potenziellen Gehaltsstruktur feilte.

Demokratisch wie wir sind, musste eine Abstimmung her

Das gesamte Team entschied gemeinsam, wer aus dem Team diese komplettieren sollte, also wurde in einer anonymen Wahl abgestimmt.

Danach ging es in eine sehr intensive Phase: Die entstandene Arbeitsgruppe saß viel und lange zusammen, um gemeinsam Lösungen zu entwickeln. Im Verlauf entschieden sie zusätzlich eine auf Personalthemen spezialisierte Unternehmensberatung zu konsultieren: FreshWorks aus Paderborn.

Wir holten uns Inspirationen ein, um ein Konzept zu entwickeln welches genau zur WABSOLUTE® passt.

„Obwohl es bereits viele innovative und gute Lösungen gibt, wünschten wir uns etwas noch einfacheres, transparentes und faires. Unser Vergütungssystem bestand aus zu vielen verschiedenen Bestandteilen. Der Wert eines Firmenwagens ist schwierig umzurechnen und es fährt auch nicht jede:r einen. Zudem gab es unterschiedliche Lohngestaltungsmaßnahmen, die nicht jede:r Mitarbeiter:in nutzte.“

Die Konsequenz: Übersicht schaffen, ungleiche Bausteine, wie zum Beispiel Firmenwagen rausschmeißen und auf wesentliche, faire und vergleichbare Bestandteile konzentrieren. Gesagt, getan und bedeutet für alle:

Ein Basisgehalt, plus für Arbeitnehmer:innen steuerfreie geldwerte Vorteile.

Wer möchte, bezieht zusätzlich eine betriebliche Altersvorsorge und weiterhin fallen optionale Sonderzahlungen für alle Mitarbeiter:innen an- eine Gewinnbeteiligung am Jahresende beispielsweise. Grundlegend herrschen nun mehr Übersichtlichkeit und Gleichheit.

Mittlerweile sind es vier Ansprechpartner:innen, die sich den Gehaltsfragen annehmen. Konstanter Teil der Gehaltsmanager sind Chris und Katha. Die weiteren beiden Mitglieder:innen des Teams rotieren alle zwei Jahre und alle können sich auf die Rolle bewerben. Wie bereits erwähnt, alles sehr demokratisch hier.

Die drei Säulen einer gerechten Gehaltsstruktur

Grundsätzlich gilt natürlich: Die Höhe der Vergütung muss fair ausfallen. Das bedeutet unter anderem, dass diese unabhängig von der Betriebszugehörigkeit gezahlt wird. Diese sagt nämlich nicht unbedingt etwas über eine:n Mitarbeiter:in oder die Qualität seiner/ ihrer Arbeit aus.

„Manchmal verliert ein:e Angestellte:r die Motivation, je länger er oder sie dabei ist und weiß, dass eine Gehaltserhöhung trotzdem anstehen wird. Das passiert in vielen Unternehmen. Unser Team soll sich jedoch weiterentwickeln und auch weiterbilden wollen, motiviert bleiben.“

Das ergibt Sinn, doch nach welchen Kriterien wird dann entschieden?

„Wir haben richtig lange gebrainstormed, welche Aspekte uns bei einem/einer Mitarbeiter:in wichtig sind. Dabei kamen ziemlich viele Begriffe zusammen, die wir in drei Säulen zusammengefassten. Leistung, Verhalten und Besonderes Engagement.“

Katha definiert die drei Säulen genauer: Die Leistung wird, unter anderem, hinsichtlich Qualität und Quantität betrachtet, aber positiv fällt auch auf, wer sein Wissen mit anderen teilt und seine Kolleg:innen genauso fit auf dem Gebiet macht.

Allerdings spielt neben der Leistung auch das Verhalten eine Rolle. Der Umgang mit dem Team ist allen sehr wichtig und fließt positiv mit in die Entscheidung über eine Gehaltserhöhung ein. Hier punktet ein:e Arbeitnehmer:in beispielsweise mit Ehrlichkeit, Offenheit, Wertschätzung und Respekt anderen gegenüber.

Die dritte Säule bedient, wer besonderes Engagement zeigt. Also: Was macht jemand über seine/ ihre Kernaufgaben hinaus? Übernimmt ein:e Mitarbeiter:in mehr Verantwortung und bedient Bereiche, die über seine/ ihre Hauptaufgaben hinausgehen?

 „Niemand erfüllt alle drei Säulen in Perfektion, das erwarten wir auch gar nicht. Es ist jedoch eine Art Agenda und jeder kann sich daran orientieren und daran arbeiten. Unser Team kann schauen, wo befindet sich die Person gerade? Passt alles oder entwickeln wir einen Plan, wie das Wunschgehalt beispielsweise in den nächsten zwei Jahren erreicht werden kann?“

Jeder reflektiert also zunächst, wie er oder sie sich und seine Arbeit einschätzt. Was läuft gut? Was kann verbessert werden? Was bringt (möchte) man einbringen und wie sieht jemand seine/ihre Rolle im Team? Auf Basis dessen, reicht er oder sie sein Formular per Mail ein und die Gehalts Manager finden sich kurzfristig zu einer Abstimmung zusammen.

Auch die vier haben jedoch nicht alles im Blick und holen sich zusätzlich Informationen von anderen Koleg:innen ein, um zu prüfen wie Eigen- und Fremdwahrnehmung übereinstimmen.

Passt alles, wird die Erhöhung genehmigt. Kann aus irgendwelchen Gründen aktuell nicht genau der Wunsch erfüllt werden, erarbeiten die vier gemeinsam mit dem oder der Kolleg:in einen Plan, wie sich das in Zukunft entwickeln kann. Bisher funktioniert das auch ziemlich gut.

Was macht das System der Gehaltsstruktur so fair?

Es steht der Mensch und die Qualität seiner Arbeit im Vordergrund, nicht beispielsweise die reine Betriebszugehörigkeit. Dafür verschaffen sich die Gehalts Manager in Quartalsmeetings einen generellen Überblick, schauen auf die Entwicklungen und prüfen, ob nach wie vor alles fair verläuft.

  „Nach einem halben Jahr bemerkten wir, dass nach wie vor nicht jede:r von sich aus auf uns zukam. Einige sind aus vorherigen Beschäftigungsverhältnissen negativ vorbehaftet bei Gehaltsfragen. In solchen Fällen suchen wir dann selbst das Gespräch. Alle sollen zufrieden sein. Wir möchten keine großen Spannen zwischen Neueinsteiger:innen und erfahreneren Mitarbeiter:innen. Natürlich gibt es Unterschiede zwischen den Gehältern aber die Relationen passen. Und wenn bei jemandem länger nichts passiert ist, suchen wir auch selbst das Gespräch.“

Zudem fällt eine Entscheidung am Ende immer einstimmig. Manchmal wird sehr lange diskutiert, bis alle vier zumindest hinter dem Ergebnis stehen, auch wenn es nicht unbedingt dem eigenen Gefühl entspricht. Auch für die Seite der Verantwortlichen gestaltet sich der Prozess nun fairer. Während unser Geschäftsführer vorher allein in der Verantwortung stand, übernehmen nun mehrere Personen diesen Part und das führt zu Entlastung.

„Dieses Thema sollte immer angegangen werden, wenn notwendig. Veränderungen erfordern viel Zeit und davor schrecken viele zurück. Wir sehen jedoch, dass sich die Arbeit lohnt, daher sollten auch andere sich dieser Aufgabe annehmen.“

Weiterhin verhilft dieses Vorgehen auch übergeordnet, vorausschauender zu planen und zu handeln: Die Gespräche werden geführt, bevor es überhaupt zu Unzufriedenheit kommt. Das alles ist zwar aufwendiger, jedoch absolut notwendig, wie Katha erzählt.

„Vorher ging vieles unter, eben weil die Mitarbeiter:innen nicht immer auf Chris zukamen und er als Einzelperson nicht den Überblick hatte, wer länger schon keine Erhöhung bekommen hat oder welche Unterschiede es zwischen den Kolleg:innen gab. Nun stecken wir viel Zeit und Gedanken in die Vor- und Nacharbeit, um da nichts zu verpassen.“

Für die langfristige Budgetplanung stellt das Konzept ebenfalls einen starken Mehrwert dar:

„Wir planen teilweise schon über Jahre hinweg mit Kolleg:innen, wo jemand wann gehaltstechnisch stehen möchte. Das ist ziemlich gut für die Finanzplanung, schließlich können wir bereits jetzt im Controlling mit diesen Zahlen arbeiten und langfristig planen.“

Manchmal äußert ein:e Mitarbeiter:in einen sehr hohen Gehaltswunsch, der jedoch nicht unbedingt realisierbar ist. Hier wird ein offenes Gespräch gesucht: Ohne Zahlen zu nennen, erklären die Gehalts Manager, wo sich der Bewerbende gerade in Relation zu Kolleg:innen befindet. Allerdings erfragen sie auch, ob er oder sie es für gerechtfertigt hält, mehr zu verdienen als vielleicht fünf weitere Personen. Kann die Person ein „Ja“ überzeugend begründen, spricht nichts gegen eine Gehaltserhöhung. Andernfalls wird gemeinsam ein kleinschrittigerer Plan zum Wunschgehalt erarbeitet. Das gemeinsam ist hier sehr wichtig, schließlich soll beidseitiges (Ein)verständnis herrschen und auch jede/r die Entscheidung nachvollziehen können.

Auch sehr positiv und ein Zeichen des Vertrauens: Es kam bereits vor, dass andere Kolleg:innen den Gehalts Managern zugetragen haben, welche Entwicklung jemand anders in letzter Zeit hingelegt hat, woraufhin diese proaktiv das Gespräch suchen konnten.

Aber: Auch wenn jetzt gerade alles richtig gut passt, ist diese Struktur natürlich nicht auf Ewig in Stein gemeißelt. Bei Bedarf wird sie in Zukunft immer wieder auf die aktuellen Gegebenheiten abgestimmt. Und auch wenn das Team der Gehalts Manager alle zwei Jahren neu besetzt wird, können jederzeit alle Mitarbeiter:innen Impulse zur Gehaltsstruktur liefern, die auch einbezogen werden, wenn sie Sinn ergeben. Wie gesagt, wir sind sehr demokratisch. Und das lohnt sich, denn nach einem Jahr Praxis, erlaubt das allgemeine Feedback ein erstes Fazit:

„Wir bekommen durchweg sehr positive Rückmeldungen zu diesem Vorgang. Anfangs standen wir auch viel Skepsis entgegen, da nicht jeder sich sofort was unter diesem Konzept vorstellen konnte und nicht wusste, was auf uns alle zukommt. Das hat sich nach den ersten Gesprächen jedoch schnell erledigt. Wir haben das Gefühl, dass das aktuelle Verfahren wirklich viele Probleme löst, beziehungsweise viele gar nicht erst entstehen lässt. Es zielt nicht auf eine kurzfristige Problembehebung ab, sondern stellt eine nachhaltigere Lösung dar.“


Dieses Interview führte Dalia (Online Marketing Managerin) mit Katha (HR Managerin)

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